Die Umsetzung von EU-Sanktionsverordnungen wird in Deutschland mit Nachdruck weiterentwickelt. Eine neue Verschärfung des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG) soll Sanktionsverstöße noch härter ahnden. Für Unternehmen und Juristen sind die Änderungen von großer praktischer Bedeutung, da sie nicht nur den Strafrahmen erweitern, sondern auch die Anforderungen an Compliance verschärfen.
Hintergrund der Änderungen
Im Kontext der EU-weiten Sanktionen bleibt Deutschland durch das Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und die Außenwirtschaftsverordnung (AWV) ein Vorreiter bei der nationalen Ahndung von Sanktionsverstößen. Die EU-Sanktionsverordnungen wirken unmittelbar, aber ihre Durchsetzung in Form von Bußgeldern und strafrechtlichen Maßnahmen bleibt Sache der Mitgliedstaaten.
Mit dem Referentenentwurf vom 11. Oktober 2024 (BR-Drs. 498/24) konkretisiert Deutschland die Anforderungen aus dem 14. Sanktionspaket der EU und verschärft nationale Straf- und Bußgeldvorschriften. Die wichtigsten Änderungen betreffen insbesondere die Strafbarkeit bei unrichtigen Angaben und die Erhöhung von Bußgeldern für Unternehmen.
Fundstellen:
- EU-Verordnung (EU) 2023/426 über restriktive Maßnahmen: Diese Verordnung des Rates vom 25. Februar 2023 ändert die Verordnung (EU) Nr. 269/2014 und betrifft restriktive Maßnahmen angesichts von Handlungen, die die territoriale Unversehrtheit, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine untergraben oder bedrohen. EUR-Lex
- Referentenentwurf zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und anderer Vorschriften (BR-Drs. 498/24): Dieser Entwurf vom 11. Oktober 2024 zielt auf die Anpassung des AWG und weiterer Rechtsvorschriften ab, um die EU-Richtlinie 2024/1226 umzusetzen. Bundestag DServer
- Außenwirtschaftsgesetz (AWG): Das AWG regelt den Außenwirtschaftsverkehr der Bundesrepublik Deutschland und enthält Bestimmungen zur Durchführung von Sanktionsmaßnahmen.
- Außenwirtschaftsverordnung (AWV): Die AWV ergänzt das AWG und enthält detaillierte Vorschriften zur Ausfuhrkontrolle und zu Embargomaßnahmen.
1. Ausweitung der Straftatbestände
- Heraufstufung von Ordnungswidrigkeiten zu Straftaten:
Verstöße, die bisher gemäß § 82 AWV lediglich als Ordnungswidrigkeiten geahndet wurden, werden künftig als Straftaten behandelt. Dies betrifft insbesondere Verstöße gegen:- Informationspflichten im Finanzbereich,
- die Nichtmeldung von eingefrorenen Geldern oder wirtschaftlichen Ressourcen.
- Neue Straftatbestände (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 AWG-E):
Die gezielte Umgehung von Sanktionen, z. B. durch Drittstaat-Gesellschaften oder falsche Angaben zu Endverwendung, Empfänger oder Ursprung von Gütern, wird ausdrücklich unter Strafe gestellt.
2. Verschärfung der Rechtsfolgen
- Erhöhung der Freiheitsstrafen:
- Neue Mindeststrafen bei besonders schweren Fällen: mindestens 6 Monate Freiheitsstrafe (z. B. bei Umgehungen über Drittstaaten).
- Höchststrafe: bis zu 10 Jahre Freiheitsstrafe, insbesondere bei vorsätzlichen Umgehungshandlungen.
- Einführung von Regelbeispielen für schwere Fälle:
In § 18 Abs. 6a AWG-E werden konkrete Beispiele für besonders schwere Fälle aufgenommen:- Falsche oder unvollständige Angaben zu Endverwendung, Ursprung, Versender oder Empfänger von Gütern.
- Umgehungen durch Drittstaat-Gesellschaften, die von EU-Unternehmen beherrscht werden.
3. Verschärfung von Bußgeldern
- Erhöhung des Bußgeldrahmens (§ 19 Abs. 7 und 8 AWG-E):
- Für juristische Personen und Personenvereinigungen: bis zu 40 Millionen Euro.
- Dies ersetzt den bisherigen Bußgeldrahmen von maximal 500.000 Euro.
- Festbetragsbußen statt umsatzbasierter Bußen:
Anders als in anderen EU-Staaten wird die Höhe der Geldbußen nicht an den Unternehmensumsatz gekoppelt.
4. Sanktionierung grob fahrlässigen Verhaltens
- Erweiterung der Strafbarkeit auf grob fahrlässige Handlungen:
Neben der bisherigen Strafbarkeit für leichtfertige Verstöße gemäß § 17 Abs. 5 AWG wird auch grob fahrlässiges Verhalten bei Dual-Use-Gütern strafbar. Dies betrifft insbesondere Waren, die in Anhang I oder IV der VO (EU) 2021/821 gelistet sind.
5. Keine Ausnahme für Bagatellfälle
- Verzicht auf die Ausnahme von Bagatellfällen:
Die Richtlinie erlaubt es den Mitgliedstaaten, Verstöße unterhalb eines Wertes von 10.000 Euro von der Strafbarkeit auszunehmen (Art. 3 Abs. 2). Deutschland hat darauf verzichtet, sodass selbst geringfügige Verstöße strafrechtlich verfolgt werden.
6. Streichung von Karenzzeiten
- Abschaffung der zweitägigen Karenzzeit (§ 18 Abs. 11 AWG):
Bisher gab es eine Frist von zwei Werktagen nach der Veröffentlichung neuer EU-Sanktionsvorschriften, innerhalb derer Verstöße noch nicht strafbar waren. Diese Karenzzeit entfällt vollständig. Unternehmen müssen neue Regelungen ab sofort umsetzen.
7. Wegfall persönlicher Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe
- Streichung des persönlichen Strafausschließungsgrundes (§ 18 Abs. 11 AWG):
Wer bisher in Unkenntnis eines neuen EU-Rechtsaktes handelte, konnte von einer strafrechtlichen Ahndung ausgeschlossen werden. Dies ist künftig nicht mehr möglich. - Wegfall des Strafaufhebungsgrundes bei Selbstanzeige (§ 18 Abs. 13 AWG):
Die Möglichkeit, durch freiwillige Selbstanzeige eine Strafmilderung oder -aufhebung zu erreichen, wird abgeschafft. Dies betrifft insbesondere die Verletzung von Meldepflichten.
8. Einführung spezifischer Ausnahmen
- Schutz von Berufsgeheimnisträgern:
Für Rechtsanwälte, Notare, Steuerberater und ähnliche Berufsgruppen wird ein persönlicher Strafausschließungsgrund eingeführt, wenn sie aufgrund ihrer Verschwiegenheitspflichten Informationen nicht melden (§ 18 Abs. 5a Nr. 2 AWG-E). - Humanitäre Ausnahmen:
Verstöße im Rahmen humanitärer Hilfe können künftig unter bestimmten Voraussetzungen von der Strafverfolgung ausgenommen werden.
9. Explizite Sanktionierung von Umgehungstatbeständen
- Umgehungsverbot für Drittstaat-Gesellschaften:
Muttergesellschaften in der EU, die über Tochtergesellschaften in Drittstaaten Sanktionsmaßnahmen umgehen, können künftig strafrechtlich verfolgt werden (§ 18 Abs. 1 Nr. 3 AWG-E). - Weite Auslegung des Bereitstellungsverbots:
Handlungen, die bisher als Umgehungen galten (z. B. Lieferungen über Drittstaaten), werden als vollendete oder versuchte Verstöße gegen das Bereitstellungsverbot behandelt.
10. Anpassung an Dual-Use- und Embargovorschriften
- Erweiterung des Anwendungsbereichs für Dual-Use-Güter:
Die Strafbarkeit bei Verstößen gegen die VO (EU) 2021/821 wird auf grob fahrlässige Verstöße ausgeweitet.
11. Wegfall von Bagatellregelungen und erleichterte Strafverfolgung
- Keine Ausnahme für geringfügige Verstöße:
Verstöße mit geringem Warenwert (z. B. unter 10.000 Euro) bleiben strafbar. - Vereinfachung der Strafverfolgung:
Der Wegfall bisheriger Ausnahmen und Karenzzeiten erleichtert die unmittelbare Strafverfolgung.
Praktische Bedeutung für Unternehmen
Die Änderungen des AWG durch die Novelle 2025 bedeuten eine deutliche Verschärfung der Anforderungen für Unternehmen und Privatpersonen. Höhere Bußgelder, die Ausweitung der Strafbarkeit und der Wegfall von Karenzzeiten schaffen eine klare Botschaft: Sanktionsverstöße werden härter verfolgt als je zuvor. Unternehmen müssen ihre Compliance-Systeme anpassen, um empfindliche Strafen zu vermeiden.
Für rechtliche Beratung und Unterstützung steht Ihnen unser Team von LegalDefenders.de gern zur Verfügung.