Zwangsmaßnahmen im Gerichtssaal: Warum Zeugen ohne Anwalt in Gefahr sind!

Am 8. Mai 2024 entschied das Landgericht Nürnberg-Fürth (12 Qs 1/24) über die Zulässigkeit bestimmter Maßnahmen im Rahmen eines Strafverfahrens. Das Urteil befasst sich insbesondere mit den Themen Telefonsperre und der Ingewahrsamnahme eines Zeugen. Im Zentrum des Falls stand ein Steuerberater, der als Zeuge geladen war und sich weigerte, auszusagen. Dieses Urteil wirft ein Licht auf die rechtlichen Rahmenbedingungen, die Gerichte in Deutschland bei der Befragung von Zeugen berücksichtigen müssen.

Ausgangssituation

Das Amtsgericht Nürnberg hatte gegen einen Angeklagten einen Strafbefehl wegen versuchter Steuerhinterziehung erlassen. Im Hauptverhandlungstermin vom 24. Oktober 2023 legte der Angeklagte Widerspruch ein und entband seinen Steuerberater, den Zeugen H, von der Schweigepflicht. Der Zeuge verweigerte jedoch die Aussage mit Verweis auf § 55 StPO, der ihm das Recht zur Auskunftsverweigerung zusichert, falls er sich selbst belasten könnte.

Der Richter unterbrach daraufhin die Sitzung und wies den Zeugen an, im Gerichtsgebäude zu bleiben und keine Kontakte zur Kanzlei aufzunehmen. Ein Durchsuchungsbeschluss für die Kanzleiräume der Steuerberater- und Rechtsanwalts-GmbH, bei der der Zeuge angestellt war, wurde erlassen. Die Maßnahme wurde durch die Steuerfahndung vollzogen. Nachdem die Durchsuchung begann, wurde der Zeuge ohne weitere Befragung entlassen.

Rechtliche Beurteilung

1. Ingewahrsamnahme eines Zeugen:

Das Gericht urteilte, dass die Anordnung, das Gerichtsgebäude nicht zu verlassen, nicht anfechtbar sei. Gemäß § 248 Satz 1 StPO dürfen sich Zeugen nach ihrer Vernehmung nur mit Erlaubnis des Gerichts entfernen. Dies dient dazu, die Möglichkeit einer erneuten Befragung zu gewährleisten. Eine Zwangsmaßnahme, wie die Ingewahrsamnahme, ist zulässig, wenn ein Zeuge ohne Erlaubnis das Gericht verlassen möchte, was hier jedoch nicht angewendet wurde.

2. Telefonsperre während der Durchsuchung:

Eine weitere entscheidende Maßnahme war die Verhängung einer Telefonsperre gegenüber dem Zeugen. Das Gericht erklärte, dass eine solche Maßnahme rechtlich zulässig sei, um den Zweck einer Durchsuchung zu sichern. Dabei wurde auf eine Annexkompetenz zu § 105 StPO verwiesen, die es ermöglicht, während einer Durchsuchung Kommunikationsverbote auszusprechen, um die Gefährdung des Durchsuchungszwecks zu vermeiden.

Der Zeuge hatte seine Aussage mit der Begründung verweigert, dass seine Arbeitgeberin ihm das so aufgetragen habe. Diese unzulässige Einflussnahme rechtfertigte nach Auffassung des Gerichts die Anordnung einer Telefonsperre, um die Zusammenarbeit des Zeugen zu sichern und die Durchsuchung nicht zu gefährden.

Fazit

Dieses Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth verdeutlicht, dass Gerichte in bestimmten Fällen weitreichende Befugnisse haben, um die ordnungsgemäße Durchführung eines Strafverfahrens sicherzustellen. Maßnahmen wie die Ingewahrsamnahme eines Zeugen und die Verhängung einer Telefonsperre dienen dazu, die Wahrheitsfindung zu sichern und die Effektivität von Durchsuchungen nicht zu gefährden.

Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer kompetenten rechtlichen Beratung für Zeugen, die in Strafverfahren involviert sind. Eine Zeugenbeistandschaft durch einen Rechtsanwalt kann in solchen Fällen besonders sinnvoll sein. Ein Anwalt kann dem Zeugen helfen, seine Rechte und Pflichten besser zu verstehen, insbesondere in Situationen, in denen er zur Aussage verpflichtet wird oder sich der Gefahr einer Ingewahrsamnahme ausgesetzt sieht. Darüber hinaus kann ein Anwalt sicherstellen, dass die Rechte des Zeugen gewahrt bleiben und dass er nicht unnötig belastet wird.

Angesichts der Komplexität und der potenziellen Konsequenzen solcher rechtlicher Verfahren ist die Unterstützung durch einen Rechtsanwalt ein wichtiger Schutzmechanismus für Zeugen, um sicherzustellen, dass sie angemessen informiert sind und ihre Interessen gewahrt bleiben. Die Entscheidung zeigt, wie wichtig es ist, als Zeuge gut vorbereitet und rechtlich beraten zu sein, um die Anforderungen des Gerichts zu erfüllen und gleichzeitig die eigenen Rechte zu schützen.